Einmal Mondtal und zurück

Die Kälte in La Paz geht durch Mark und Bein. Wenn die Sonne kurz nach 6 Uhr Abends verschwindet, kommen die beißenden Temperaturen, denn in unserer Wohnung gibt es keine Heizung. Der offene Kamin sorgt nur sehr begrenzt für mehr Wärme. Doña Rosa meint, so einen kalten Winter hätte es schon seit Jahren nicht mehr gegeben.

Das Verlassen der warmen Schlafsäcke in der Früh bereitet wenig Vergnügen,  durch die Temperatur und die Höhe sieht es gleich mal so aus, als würde die Milch im Reindl kochen, dabei dampft sie nur vor sich hin und ist immer noch kalt. 500 Höhenmeter weiter oben, in El Alto, schneit es in der Früh. Der Illimani, gut sichtbar von unserem Schlafzimmerfenster aus und die gesamte Bergkette um La Paz herum liegt unter einem wunderschönen weißen Mantel.

Also zwiebeln wir uns ein, setzen warme Hauben auf und machen uns auf den Weg zum Valle de la Luna. Das bizarre mondlandschaft-ähnliche Gestein ist über Jahrtausende durch Erosion und Klimagegensätze entstanden. Diesmal nehmen wir ein Taxi und handeln den Fahrer vom ursprünglichen Preis herunter, der zwar vermutlich immer noch ein Vielfaches des normalen Fahrpreises ist, doch wir haben erstmalig erfolgreich gehandelt. Es geht mit dem Taxi hinunter in die Zona Sur, die noch einige hundert Meter tiefer liegt und wo die reichen La PazerInnen ihre großen Villen mit dicken Autos davor besitzen. Der Verkehr ist auch dort südamerikanisch. Als Zebras verkleidete Lotsen geben in der ganzen Stadt ihr Bestes, um für Verkehrsregeln Aufmerksamkeit zu erheischen, winken den Kindern fröhlich zu, maßregeln Busfahrer und lassen sich von den AutofahrerInnen wütend anhupen.

Über gewundene Straßen geht es einige hundert Höhenmeter hinauf – ein kleiner Vorgeschmack auf die Straßen, die uns demnächst selbstfahrend erwarten. Der Ausflug lohnt sich, wir sind fast alleine im Mondtal.

Nach einem Mittagessen in einem Restaurant an der Straße – wir lassen die Spezialität „Schweineschwarten in Fett in riesengroßer Pfanne gekocht und mit den bloßen abgeschleckten Fingern der Wirtin rausgeholt“ aus und entscheiden uns für Huhn – bewundern wir im weitläufigen Tiergarten nicht nur die Tierwelt der Anden, sondern auch die La Pazer-Familien beim Sonntagsausflug. Unfassbar, was die Cholitas – und zwar nur die Frauen – in ihren Tüchern herumtragen. Da kommen komplette Mahlzeiten, transportiert in mehreren dazugehörigen Töpfen mit Geschirr für die ganze Familie, zum Vorschein. Das Tuch ist die Picknickdecke und schon kann aus Schüsseln gelöffelt werden. Als Snack dazwischen gibt es Eis aus Plastiksackerln geschlürft, Zuckerwatte und undefinierbare Knabbereien in großen Säcken, die von einer Scheibtruhe mit einem monströsen Sack darauf verkauft werden. Offenbar muss die Figur gewahrt werden, damit die Rocktracht gut hält, bei der heutigen Witterung mit Legwarmers mit Lamamotiven unter den Röcken, doch immer mit Ballerinas.

Der Klogang auf dem Damenklo ist durchaus sehenswert, da sich die Frauen mit Gepäck am Rücken, gebauschten Röcken, Melone und Kleinkind in eine Kabine quetschen.

Das Einkaufen haben wir mittlerweile aus dem Supermarkt auf den um ein Vielfaches günstigeren Bezirksmarkt verlegt und probieren neue Früchte, wie Cherimoyas aus.

Bekanntschaft konnten wir inzwischen mit Behörden hier in La Paz machen. Die Einwanderungsbehörde – denn wir wollen länger als 30 Tage im Land bleiben – präsentiert sich geordnet, doch mit einer Horde wartenden Menschen. Nachdem wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite schlechte Kopien von unseren Pässen und Einreisepapieren anfertigen lassen, stellen wir uns auf mehrere Stunden Wartezeit ein. Nach genau 4 Minuten sind wir wieder draußen, mit einem gratis 90 Tage Visum!

Auch die Angestellten der staatlichen Autoversicherung sind ausgesprochen hilfsbereit, würden sie doch unser Wohnmobil gerne als öffentlichen Minibus für 20 Personen versichern. Ein Feld für „Wohnmobil“ ist im Formular nicht vorgesehen, Bildrecherchen im Internet ziehen Kopfschütteln nach sich. Also erhalten wir eine Jahresversicherung für einen Transporter mit dem Zusatz „Camper“. Unsere Fahrzeugpapiere für den Tioga bestehen den ersten Test anstandslos. Sollten wir wirklich länger als geplant in Bolivien bleiben und La Paz noch einen Besuch abstatten, können wir vielleicht schon mit der „Teleferico Linea Amarillo“ fahren, an deren Fertigstellung emsig gearbeitet wird. Etwas Schiurlaub-Feeling stellt sich in der Großstadt bei uns ein.