Gringos feliz

Wir verabschieden uns von den Familien der geländegängigen Fahrzeuge, die ihren Weg durch Südbolivien nach Chile bzw. Paraguay fortsetzen und genießen einen weiteren luxuriösen Sonnentag auf dem Salar. Wir ersteigen unseren ersten 3000er – denn wir können schon bei über 3600m anfangen – und sind fasziniert von den meterhohen großstacheligen Kakteen „unserer“ Insel. Es scheint für uns so, als wären wir ganz allein in dieser Salzwüste – ein Gefühl der totalen Freiheit. Gingen unsere Wasservorräte nicht langsam zur Neige, so könnten wir uns noch viele Tage an diesem magischen Ort vorstellen.

Ein großer LKW-Camper braust heran. Andrea und Lorenza aus Italien sind seit einigen Monaten von Feuerland nach Alaska unterwegs und bleiben auf ein Plauscherl stehen.

Es geht zurück nach Uyuni, um unsere Rundreise durch Bolivien fortzusetzen. Je näher wir der Ausfahrt des Salars kommen, desto dichter wird der Verkehr, Tourfahrzeuge, LKWs und Busse blinken uns freundlich zu. Wir begegnen einem Radler mit vielen Packtaschen, der einsam vor sich her strampelt. Erzählt wurde uns von zwei jungen Franzosen, die mit dem Einrad durch Südamerika radeln. Wir genießen unsere Luxuskarosse und nutzen die Kleinstadt Uyuni, um noch dies und das daran zu schrauben. Die Kinder besuchen ausgiebig den Spielplatz – hier in Bolivien ist das Verhältnis von Kindern linear proportional zur Anzahl an Kindervergnügungen. Unser Schlafplatz stellt sich ebenfalls als vergnüglich – für die BolivianerInnen – heraus, denn Tanzschritte werden in der Gruppe geprobt, mehrere Stunden lang zum Tophit „Bailando“ von Enrique Iglesias.

Die abwechslungsreiche Landschaft mit faszinierenden geologischen Formationen zieht in der Gegenrichtung an uns vorbei. Wir besichtigen ehemalige Mienen- und Halb-Geisterstadt Pulacayo, biegen bei einem Schild zu heißen Quellen ab, vorbei an Lamas und Vikunas und finden uns alsbald unvermutet auf einer Sandbank wieder. Das macht der Tioga nicht mit, drei Stunden, viele abgesägte Büsche, intensive Nutzung unserer Schaufel und eine zerstörte Isomatte später freuen sich die Kinder über fast 40 Grad heißes Wasser und die Señora am Eingang über AusländerInnen, denen sie doppelt so viel Eintritt verrechnet, wie auf dem winzigen Schildchen steht.

Wir lassen Potosí mit dem unkooperativen Mechaniker hinter uns und finden auf dem Weg Richtung Sucre einen Übernachtungsplatz in einem kleinen Ort mit freundlichen Menschen, die sich für unser Fahrzeug interessieren, das in einem besseren Zustand ist als die eigenen.

Auf dem Weg nach Sucre ändert sich die Landschaft urplötzlich. Wir folgen dem Verlauf von mehreren Flusssystemen, die Landschaft ist satt und grün mit Laubbäumen und Palmen, die Häuser sind verputzt und das Staubaufkommen nimmt merklich ab. Das Verhalten der bolivianischen Autofahrer bleibt allerdings gleich, überholt wird generell nur vor einer der zahllosen Kuppen und Kurven. Vor Sucre können wir unseren Augen fast nicht trauen, denn wir passieren riesige Häuser auf landgutartigen Grundstücken.

In Sucre – der „ciudad blanca“ leisten wir uns den Luxus einer warmen Dusche inkludiert im Stellplatz im Hof des „Hostal Austria“ und das Bummeln durch den sehr gepflegten und sauberen kolonialen Stadtkern.

„Pimp my casa rodante“ steht auf dem Plan. Staunen lassen uns erneut die preislichen Verhältnisse. Der Tischler baut uns mehrere Stunden ein Küchenkastl, das genau soviel kostet wie die zweistündige Arbeitszeit des Mechanikers, der unsere Bremsdichtung bolivianisch mit etwas Gummi und einer Tube Silikon repariert, dies entspricht dem Preis eines Hammers in einem Werkzeugladen. Der Besuch in einem – touristischen – Restaurant für vier Personen kostet das Dreifache von diesen mehrstündigen Handwerksleistungen. Wir erstehen ein in zweiwöchiger Arbeit handgewebtes Täschchen um den Gegenwert von drei Mahlzeiten köstlichem Frischgekochtem aus Garküchen am Straßenrand für uns alle.

Señora Serafina stopft die Kuhlen in unseren Pölstern und überzieht diese und unsere Autositze meisterlich mit dem Webstoff unserer Wahl, der halb soviel gekostet hat, wie ihr zweitägiges Nähen und Basteln und rund doppelt soviel wie ein mittelgroßer Einkauf im Supermarkt.

Zum Abschluss unserer Zeit in Sucre geben wir uns der Touristenattraktion Cal Orck’o mit Anfahrt im Doppeldeckerbus hin – und sind tief beeindruckt vom sauberen Dino-Park mit lebensgroßen Dino-Modellen und mehrsprachigen Führern. Wir klettern den steilen Pfad zur längsten bekannten Spurenkette von Dinosaurier-Abdrücken auf der ganzen Welt hinunter, die sich über eineinhalb Kilometer zieht. Heute ist dies durch die tektonischen Verschiebungen der Erdplatten vertikal auf 110 Metern zu bestaunen. Aus nächster Nähe sehen wir viele der rund 5000 Abdrücke in 462 verschiedenen Spuren von etlichen Dinosaurierarten und können Millionen Jahre später bestaunen, wie ein Theropod-Dinosaurier-Männchen mit seinen elefantösen Abdrücken seiner Angebetete auf seiner linken Seite den Vortritt ließ.