KönigInnen der Anden

Fast wäre unser Grenzübertritt durch eine Blockade auf bolivianischer Seite vereitelt worden, aber der Señor, der seinen LKW quer vor das Tor, durch das wir müssen, geparkt hatte, gibt für uns dann doch kurz den Weg frei. Die Grenze von Bolivien nach Peru ist eine Straße mit einem kurzen Schlagbaum und einer Kette als Abgrenzung, die FußgängerInnen können völlig ungehindert von einem ins andere Land spazieren. Wir müssen uns aktiv um die Formalitäten bemühen, um bei der nächsten Straßenkontrolle alle erforderlichen Stempel und Papiere vorweisen zu können.  

Peru wirkt auf den ersten Blick sauberer und bunter, als wir es aus Bolivien kennen, die Straßen verdienen ihren Namen. Derzeit wird rund um Puno um das BürgermeisterInnen-Amt geworben, die KandidatInnen lassen ihren Namen, ihre kurze Botschaft und ihr Zeichen – Panflöte, Sandale, Coca-Blatt, Spitzhacke, Häuschen, Orange oder Jagdhorn – von kleinen Grüppchen mit großen Farbtöpfen und Pinseln an die Hausmauern malen.

Besonders gut gefallen uns die weithin sichtbar freistehenden wellblechenen Stillen Örtchen auf den Höfen am Land – wahlweise in leuchtend blau, hellgrün oder ocker, doch im Ort einheitlich – und die Moto- und Fahrradtaxis, ebenfalls gerne in leuchtenden Farben und im Bat- oder Spiderman-Design.

Wir nützen Puno, um uns an das peruanische Geld – 1 Sol sind 27 Cent, da raucht der Kopf beim Umrechnen – , an das Warenangebot und die oft dreifach höheren Preise zu gewöhnen. Noch glücklicher, die schöne, ruhige und saubere Seite des Titicacasees in Bolivien genossen zu haben, sind wir beim Besuch des touristischen, vor grünen Algen übergehenden Hafens von Puno.

Die imposanten Grabtürmer von Sillustani präsentieren sich uns kurz vor einem Gewitter in einem besonders schönen Licht. Erneut sind wir beeindruckt von der Baukunst der Inkas und Collas, die Begräbnisrituale erinnern an die von ägyptischen KönigInnen.

Auf unserem weiten Weg zum Colca-Canyon passieren wir erstmalig kleine rosa Punkte am Horizont -  Flamingos in freier Natur – und unseren bisher höchsten Pass mit 4900m, dann geht es wieder 1000 Höhenmeter hinunter. Die Belohnung für die vielen Serpentinen-Kilometer auf und ab, mit besseren Straßen, als in Bolivien, doch ebenso mit fiesen Schlaglöcher, ist ein großzügiges, wunderbar warmes Thermalbad mit fünf verschiedenen Becken, Eintritt ab 4 Uhr Früh.

Die Señoras in dieser Region tragen einen mit glitzernden Pailletten bestickten hellen Hut mit einer Art kleinem Kamm an der Oberseite und einer speziell geformten Krempe. Über mit Blumen und Ranken bestickten bodenlangen Röcken in leuchtenden Farben wird ein weiterer langer Rock getragen, deren vorderer Saum in den Bund des unteren Rocks gesteckt wird. Als Oberteil dient eine Bluse, ebenfalls leuchtend bunt floral bestickt. Das helle Tragetuch, hier „manta“ genannt, in ganz unterschiedlichen Farben komplettiert die Tracht.

Die Landschaft leuchtet grün und satt, der Colca-Fluss fließt durch ein beeindruckend tiefes Tal mit unzähligen vor vielen tausend Jahren aus Steinen angelegten Terrassen, Bauern reiten auf Eseln an uns vorbei, oft wirkt die Szenerie unwirklich, wie gemalt.

Die herbeigesehnten Anden-Kondore erweisen uns tatsächlich die Ehre. Majestätisch gleiten diese größten Greifvögel der Welt fast zum Greifen nahe an uns vorbei und über unsere Köpfe, legen sich in die Kurve und scheinen den sonnigen Morgen genauso zu genießen wie wir.